Weil Adolph Kolping die großen Nöte seiner Zeit erkannt hat, wollte er helfen und begann sein großes Werk aufzubauen. Sein Grundsatz war das Subsidiaritätsprinzip, das heißt bringe Hilfe zur Selbsthilfe überall, wo es nötig ist.
Auch wir haben uns diesem Grundsatz verschrieben und haben uns schon des öfteren in seinem Sinn auf Reisen begeben.
Die Kolpingsfamilie in Gheorgheni
Seit 1999 besteht eine Partnerschaft zwischen der Kolpingsfamilie Heidingsfeld und der Kolpingsfamilie Gheorgheni in Rumänien.
Gheorgheni (ungarisch Gyergyószentmiklós,deutsch Niklasmarkt) ist eine Stadt im Osten der Region Siebenbürgen in Rumänien mit etwa 20.000 Einwohnern. Sie liegt etwa 45 km nördlich der Kreishauptstadt Miercurea Ciuc (Csíkszereda) in einem Becken zwischen den Äußeren und Inneren Ostkarpaten.
Der Beginn einer langen Freundschaft
Wie alles begann
Im Mai 1999 machten sich erstmals drei Mitglieder auf den Weg nach Rumänien. Dort trafen sie unsere Freunde in Gheorgheni (zu deutsch Niklasmarkt). Über das, was sich aus dieser Reise entwickelt hat, möchte ich ein wenig berichten.
An einem schönen Abend auf unserem Wiesle kamen einige Männer auf die Idee „doch etwas Näheres zu suchen als Afrika, wo man auch mal hinfahren kann“. Also fragte ich unseren damaligen Diözesanreferenten Erhard May, ob er uns einen Tipp geben kann. Bald bot er uns ein paar Kolpingfamilien in Rumänien an, die er persönlich besucht hatte. Sein Kommentar zu der KF in Gheorgheni: „Nehmt die, die sind sehr freundlich“.
Also machten sich die drei Mitglieder von uns – Walter Tüchert, Valentin Bauer und Egon Schmitt – im Mai 1999 mit einem Transporter voll mit Kleidern und Lebensmitteln auf den 1700 km langen Weg. Über zwei Grenzen mit scharfer Kontrolle war das nicht so einfach. Endlich angekommen, gab es einen sehr herzlichen Empfang. Margit Molnar, die Frau des ersten Vorsitzenden der dortigen KF hatte schon begonnen Deutsch zu lernen, so dass die Verständigungsschwierigkeiten nicht allzu groß waren. Ganz erfüllt von der Begegnung kehrten die drei nach Hause zurück und organisierten im August gleich noch einmal eine Fahrt mit zwei Transportern. Auf den Brief, den ich mitgegeben hatte, kam im Oktober eine Antwort von Margit, die uns sehr glücklich, aber auch nachdenklich machte
Ein Besuch mit Nachwirkung
„Der Kontakt zu euch in Heidingsfeld ist eine große Ehre für uns. Der Besuch von Valentin, Walter und Egon bei uns scheint große Ehrung und Freude zu sein. Nach ihrem ersten Besuch hat eine große Veränderung begonnen nicht nur im gesellschaftlichen Leben sondern auch im persönlichen Leben der Kolpingmitglieder. Zum Beispiel haben 15 junge Mitglieder das Deutschlernen begonnen. Ich glaube, das ist sehr schön! Der Besuch von deutschen Freunden war herrlich, es war ein großes Erlebnis für mich und für alle Teilnehmer. Nicht nur die Unterstützung von euch sondern auch die persönlichen freundschaftlichen Beziehungen finde ich wertvoll.“ so schrieb Margit im Oktober .
Damit begann ein reger Briefwechsel; anfänglich per Post in den späteren Jahren per E-mail, was die Sache natürlich sehr erleichterte. Wir tauschten viele Ideen aus, planten Projekte, erfuhren Freude und Leid von beiden Seiten. Und immer geschah dies in einer offenen, ehrlichen und mitfühlenden Atmosphäre
Hilfsgüterfahrten wurden organisisert
Walter Tüchert war so begeistert von dieser Partnerschaft, dass er immer wieder Fahrten mit Hilfsgütern und Spenden aller Art organisierte. Im August 2000 fuhren wir Philipp und Monika Wiesner, Gerd, Hildegard und Joachim Schneider dann auch mit, um einen persönlichen Eindruck zu bekommen.
Das war für uns ein außerordentliches Erlebnis! Ab der rumänischen Grenze machten wir eine Zeitreise zurück in die Fünfziger Jahre bei uns. Der Grenzübertritt nach Rumänien dauerte sechs Stunden, weil in den Papieren kleine Fehler waren!
Aber wieder war die Freude bei unserer Ankunft in Gheorgheni riesengroß. Wir verbrachten drei wunderschöne Tage, in denen wir einen ersten Einblick in die Schönheit der rumänischen Landschaft und die überwältigende Gastfreundschaft der Menschen bekamen.
Wir konnten auch die ersten Baufortschritte für ein Kolpingheim bewundern. Die KF durfte auf Pfarrgrund einen Anbau an den bestehenden Pfarrsaal errichten. Er sollte einen Gemeinschaftsraum, eine kleine Küche und einige Gästezimmer mit Sanitäranlagen enthalten. Bei einem Besuch von Nicu Negrusa, dem Vorsitzenden und Margit Molnar im Jahre 2001– auf Einladung von Renovabis und der Diözese – konnten wir die Pläne einsehen und unsere Vorstellungen dazu äußern. Selbstverständlich haben wir dieses Projekt auch finanziell unterstützt. Valentin Bauer, der im Jahr 2000 verstorben ist, hat zu seiner Beerdigung statt Blumen um Spenden für seine Freunde in Rumänien gebeten. So konnte dieses Vorhaben unter der Leitung von Nicu und vielen Helfern aus der KF – täglich 10 -12- Personen – gelingen.
Wir haben dazu auch viele Sachspenden, wie Heizkessel, Stühle und Küchenmöbel organisiert.
Besuch zum Diözesanjubiläum
Im Jahr 2003 fand in Würzburg das große Jubiläum der Diözese statt – 150 Jahre Kolpingverband Würzburg. Selbstverständlich haben wir unsere Freunde dazu eingeladen. Sie kamen zu siebt mit einem kleinen Bus und wurden von unseren Mitgliedern gern aufgenommen und versorgt. Sie schmückten mit ihrem Banner und in ihren Trachten unsere Fronleichnamsprozession und genossen die große Feier der Diözese in der s.Oliver Arena.
Wiedergründung der KF Gheorgheni
Im Jahr 2004 machten wir zu viert – Philipp, Monika, Gerd und Hildegard – einen Gegenbesuch auf Einladung zur 10-jährigen Wiedergründung der KF Gheorgheni. Wir haben nämlich in unserer Geschichte etwas gemeinsam: Unsere KF wurde im Jahr 1935 verboten und die KF Gheorgheni zu Ceausescus Zeiten. Es gab dort seit 1927 bereits einen Gesellenverein, der still gelegt wurde. Wir wurden 1952 durch einige ehemalige Mitglieder wieder gegründet.
In Gheorgheni fand die Wiedergründung 1994 auf Bitten des damaligen Pfarrers Hajdo Istvan statt. Unsere Freunde organisierten ein großes Fest mit Gottesdienst, Festmahl, Vortrag, Gesang und Tanz und wir durften in „unserem“ Kolpinghaus wohnen.
2006 fand unser großes Jubiläum zum 150. Geburtstag der KF Heidingsfeld statt, natürlich mit Gästen aus Rumänien!
2007 machten wir dann mit 22 Teilnehmern eine große Reise ins Land unserer Freunde. Sie feierten das 80 jährige Bestehen ihrer Kolpingfamilie und wir durften dabei sein. Diese Fahrt war ein großes Erlebnis für alle. Wir wurden herzlich empfangen und im großen Pfarrsaal bewirtet.
Wir besuchten die Bikaz-Klamm, fuhren zum Schloss Peles und nach Kronstadt ins dortige Kolpinghotel. Wir durften mit Pferdewagen aufs Wiesle fahren und dort einen vergnüglichen Tag mit Kesselgulasch, Spiel, Gesang und Spaß erleben. Am Jubiläumstag gab es eine große Feier mit Gottesdienst, Festmahl – Krautwickel mit Sahnesoße aus eigener Küche -, Glückwünschen und Folkloredarbietungen. Auf der Hinfahrt machten wir Halt in Clausenburg mit Übernachtung und einer Stadtbesichtigung. Auf der Heimreise ließen wir uns Hermannstadt nicht entgehen. So haben wir nicht nur unsere Freunde besser kennen gelernt, sondern auch von der Schönheit des Landes eine Menge gesehen.
Partnerschaft auf Augenhöhe
Inzwischen hat sich unsere Freundschaft von einem „gute-Gaben-Spenden“ zu einer echten Partnerschaft auf Augenhöhe entwickelt. Im Briefwechsel, der einen dicken Ordner füllt, zeigt sich, welch wichtige Gedanken ihren Austausch finden. Margit hat sich die Mühe gemacht und das Leitbild des deutschen Kolpingwerkes ins Ungarische übersetzt. (Unsere Freunde sind nämlich Ungarn, die seit der Zeit der Österreichisch-Ungarischen-Donaumonarchie auf heutigem rumänischen Territorium leben.) Sandor hat in seiner Festrede zur 10jährigen Wiedergründung sehr deutlich erklärt, wie wichtig diese lebendige Gemeinschaft für die Mitglieder ist. Er hat keineswegs verschwiegen, dass es zwar Erfolge, aber auch Misserfolge und Schwierigkeiten, beim Aufbau und der Gestaltung des Gemeinschaftslebens gab und gibt. Aber gemeinsam meistern sie viele persönliche und gesellschaftliche Probleme. Jedes Mitglied der KF hat in den neunziger Jahren Arbeit gefunden, was keineswegs einfach und selbstverständlich war. Manche sind ins Ausland zum Geldverdienen, andere fahren täglich viele Kilometer zur Arbeit und wieder zurück. Aber die Gemeinschaft hält alle zusammen und jeder hilft jedem, wo es nötig ist. Unsere Freunde haben jeden Mittwoch Abend ein Treffen im Heim. Da gibt es einmal einen Vortrag oder man spricht über das Leitbild, man singt und spielt, man bespricht die bevorstehenden Projekte usw.
Es gibt aber auch viele religiöse Traditionen wie „Herbergsuche“ im Advent, Weihnachtstreffen nach der Mette, Kreuzweg zur Annakapelle usw. Bei den meisten Veranstaltungen sind auch die Kinder mit dabei und lernen so die Bedeutung von echter Kolpingarbeit kennen. Und in den dreiundzwanzig Jahren des Bestehens hat sich eine intensive Kolpingarbeit herausgebildet. Die Kolpingleute igeln sich nicht ein!
Sie gehen hinaus in die Pfarrgemeinde und auch in die politische Gemeinde und beteiligen sich an vielen Veranstaltungen und Projekten. So unterstützen sie tatkräftig die Sozialküche der Gemeinde, geleitet von der Caritas. Sie helfen beim Vorbereiten der Mahlzeiten, sie besuchen zu Weihnachten die armen Familien und bringen Lebensmittelpakete und „süße Päckchen“. Sie sammeln Lebensmittel im Supermarkt unter dem Motto: „Kauf eines mehr und spende es“. So bekommt die Küche sehr viele Grundnahrungsmittel gespendet. Einmal im Jahr machen die Kolpingfreunde mit diesen Familien einen Ausflug auf ihr Grundstück in einem wunderschönen Tal in der Nähe der Stadt. Dort wird gesungen gespielt, gegessen, gebetet und gefeiert. Das ist für diese Menschen oft der einzige „Urlaub“ !
Auch auf Diözesan- bzw. Landesebene arbeiten Mitglieder aus unserer KF im Vorstand mit. So dass unser gemeinsames Bemühen im Leben dieser Menschen Früchte trägt und wir ein klein wenig unser Leben aber auch das Leben unserer Freunde bereichern können.
Wir haben auf dem langen Weg der Partnerschaft viel Freude aber auch Leid miteinander geteilt und hoffen, dass wir noch recht lange diese Freundschaft pflegen dürfen.