Handwerk in Heidingsfeld *

Mitte des 19. Jahrhunderts herrschte auch in Heidingsfeld eine große Teuerung, die sich am meisten bei den Lebensmitteln niederschlug. Schuld daran waren schlechte Ernten. Als Folge der durch die Teuerung immer mehr einsetzende Verarmung der einfachen Leute wurde eine große Auswanderungswelle, hauptsächlich nach Amerika, ausgelöst. Von 1835 bis 1856 wanderten aus Unterfranken 5928 Personen aus. Neben Landwirten und Winzern, die den Hauptanteil der Heidingsfelder Bevölkerung stellten, waren die Handwerker über viele Jahrhunderte ein bedeutender Bestandteil. Viele unselbständige Handwerker waren Mitte des 19. Jahrhunderts mit dem Bau der neuen Eisenbahnstrecken, dem Bau der Eisenbahnbrücke Heidingsfeld und des Ostbahnhofs beschäftigt. Um 1860 waren jedoch auch diese Bauarbeiten abgeschlossen. Schweren Zeiten entgegen ging das Handwerk aber auch durch die Konkurrenz der aufkommenden Großbetriebe. Am meisten litten die Gesellen unter diesen Umständen. War es früher üblich, dass der Geselle im Hausstand des Meisters lebte und sein Unterkommen hatte, so ging der Trend dahin, dass die Gesellen sich eine Schlafstelle außerhalb des Betriebes suchten und dort leicht in schlechte Gesellschaft gerieten.

Gründung des Heidingsfelder Gesellenvereins *

Der ehemalige Reuterskeller in Heidingsfeld


Karl Theodor Werking, der bereits 1834 als Pfarrer nach Heidingsfeld berufen worden war, erkannte die Nöte der kleinen Leute und suchte diese tatkräftig zu ändern. Der erste und entscheidende Impuls zur Gründung der Kolpingsfamilie Heidingsfeld ging von ihm aus. Am 15. Juni 1856 wurde nach einem Gottesdienst in der Laurentiuskirche im Wirtschaftsgarten des Reuterskeller in Anwesenheit von Gesellenvater Adolph Kolping [der „Heidingsfelder Gesellenverein“ gegründet.

Entwicklung bis 1906 *

Über die ersten Aktivitäten des neugegründeten Heidingsfelder Gesellenvereins sind keine Aufzeichnung mehr erhalten. Es kann allerdings angenommen werden, dass die Zusammenkünfte im Reuterskeller stattfanden. Erstmals über den Ortsbereich hinaus bekannt wurde der Verein auf dem 16. Treffen der deutschen Katholiken in Würzburg im September 1864. Hier dankte das spätere Ehrenmitglied des Heidingsfelder Gesellenvereins, Glockengießermeister Friedrich Klaus, dem anwesenden Adolph Kolping für sein Werk und überbrachte die Grüße der Kolpingsöhne. In den 1870er Jahren hatte auch die Kolpingsfamilie unter dem Kulturkampf zu leiden. 1875 wurden die neuen Maß- und Münzeinheiten eingeführt. Mark und Pfennig lösten die Gulden und Kreuzer ab, und bei den Gewichten wurde das heute noch gebräuchliche Zehnersystem eingeführt. Der damalige Benefiziat Emil Kempf unterrichtete die Kopingsöhne in den neuen Maß- und Münzeinheiten und gründete im Verein eine eigene Sparkasse. Unter Präses Dr.Johannes Ruppert, der später Pfarrer von Randersacker wurde, entstand ein Baufond zu einem Heidingsfelder Kolpinghaus. Dieses hatte allerdings 1906 erst ein Kapital von 100 Mark. Der spätere Pfarrer von Erlabrunn, Eugen Huber, der von 1891 bis 1894 in Heidingsfeld wirkte, entwickelte im Verein eine Gesangs- und Instrumentalgruppe, die bei den Festlichkeiten der Kolpingfamilie mitwirkten.

Erster Weltkrieg, Inflation und Werkinghaus *

Katholischer Gesellenverein Heidingsfeld 1856 – 1906

Ganz groß gefeiert wurde das Fest des 50jährigen Bestehens vom 23. Juni bis 25. Juni 1906. Der Verein hatte damals 146 Mitglieder und 7 Ehrenmitglieder. 1908 beteiligten sich die Kolpingsöhne an dem bekannten Faschingszug, bei dem sie eine Wagen mit einer Glocke mitführten und immer „bimmelten“. Seit dieser Zeit hatten sie den Spitznamen „Bimbeli“ bekommen. Ein vorläufiges Ende des blühenden Vereinslebens bereitete der Erste Weltkrieg. Viele Mitglieder mussten in den Krieg und 17 kamen nicht mehr zurück. 1923 erfüllte sich der Wunsch nach einem eigenen Versammlungsraum, als das Vereinsmitglied Nikolaus Hofmann ein Zimmer zur Verfügung stellte, das man einrichtete. Durch die Inflation verloren auch die Kolpingsöhne ihr gespartes Geld, das wertlos geworden war. Am 20. Juni 1926 fand zusammen mit der in Heidingsfeld abgehalteten Bezirkstagung der Kolpingsfamilien des Mittelmainkreises das 70jährige Stiftungsfest statt. 1929 wurde in der ehemaligen Amtskellerei das Werkingshaus gebaut, welches nach Fertigstellung der Mittelpunkt der Kolpingsfamilie wurde.

Kolpingsfamilie im Dritten Reich *

Noch 1933 wurde auch in den höheren Führungskreisen der Kolpingsfamilien ernsthaft der Anbruch einer neuen Zeit, im positiven Sinne, propagiert. So schrieb 1934 im Kolpingkalender unter anderem: „Im Deutschen Volk, vor allen Dingen in der Deutschen Jugend, ist der Glaube an den Führer erwacht … So ruft auch Vater Kolping den Heldena uf in dir, du Kolpingsohn …. Setz dein Herz ein, und du wirst den Führer finden und wachsen an ihm in treuer Gefolgschaft.“ Die Wirklichkeit schaute anders aus. Auf örtlicher Ebene lag man im täglichen Clinch mit den neuen Machthabern. Es war eine große Zeit der Verunsicherung, denn als die Führungskräfte der Kolpingsfamilie ihren Irrweg erkannten, gab es für viele einfache Mitglieder kein Zurück mehr. Zum letzten Mal ging am Josefstag 1935 ein festlicher Zug der Kolpingsöhne zur Laurentiuskirche. Die anschließende Zusammenkunft musste Benefiziat Michael Schmitt als „Rippchenessen“ tarnen. Dazu der Kommentar eines Ortsgewaltigen der NSDAP: „Heimatabende dürft ihr keine halten, fressen dürft ihr soviel ihr wollt.“ Damit war die Vereinstätigkeit der Kolpingsfamilie eingestellt. Viele Kolpingsöhne mussten an die Front und kehrten nicht mehr zurück. Das Werkinghaus wurde für Flüchtlinge, Gefangene und später für Bereitschaften des Luftschutzes verwendet. Beim Bombenangriff auf Würzburg am 16. März 1945 wurde es zerstört.

Der Neubeginn 1952 *

Am 28. Juni 1952 gründete Martin Wolz mit einigen Gleichgesinnten die Heidingsfelder Kolpingsfamilie neu. Sie bekam in den Brunowerkhäusern um die Laurentiuskirche einen Raum, der schon bald zu klein wurde. Erstes großes Ereignis nach der Wiederbegründung war das 100jährige Stiftungsfest 1956. Der Festabend fand am 9. Juni im Würzburger Kolpinghaus statt. Eine Bausteinaktion für ein neues Kolpinghaus auf dem Gelände der ehemaligen Ostbahnhofs-Gaststätte Kehrer, auf dem heute der St.-Laurentius-Kindergarten steht, zerschlug sich. Der Tod von Martin Wolz am 16. April 1964 hinterließ in der Heidingsfelder Kolpingsfamilie eine tiefe Lücke.

Trotzdem ging die Arbeit in Heidingsfeld weiter unter Karl Lang (1965 -1967 und Klaus Schneider (1967 -1973) als Senior.

Vom Gesellenverein zur Kolpingsfamilie

1971 wurden deutschlandweit die Gesellenvereine in Kolpingsfamilien umstrukturiert. Statt Senior und Altsenior gab es nun einen Vorsitzenden mit Stellvertreter, Kassier, Schriftführer und Präses als gewählten Vorstand. Heinz Thiele war der erste Vorsitzende von 1971 – 1973.Seit 1966 durften im Diözesanverband Würzburg auch Frauen Mitglied werden. Das geschah bei uns in Heidingsfeld dann 1974.

Bau der Kegelbahn 1978

1978 wurde das neue Pfarrzentrum der Pfarrgemeinde St. Laurentius in Heidingsfeld eingeweiht. Die Kolpingsfamilie unter Dieter Kistenberger (Vorsitzender von 1973 – 1976 und 1979 – 1992) und Franz Wolf (Vorsitzender von 1976 – 1979) beteiligte sich bei der Planung und dem Ausbau der Kegelbahn sowohl mit großer finanzieller Unterstützung, als auch mit vielen Stunden freiwilligen Arbeitseinsatzes.

Dafür bekam sie einen Raum im Pfarrzentrum zur eigenverantwortlichen Nutzung – das Kolpingzimmer – zugeschrieben. Dort fand und findet ein reges Vereinsleben statt.

Seit 2016 hat unsere Kolpingsfamilie wieder Hoffnung auf ein Weiterleben. Die Entstehung unseres Familienkreises kann man auf der entsprechenden Seite nachlesen. So sehen wir vertrauensvoll in die Zukunft und freuen uns sehr, wenn der Familienkreis Zuwachs bekommt.


*Würzburg Wiki (Stand 01.01.2019)